Meine Entscheidung zur Organspende

In dieser Woche entscheidet der Deutsche Bundestag, wie Organspende in Deutschland künftig geregelt ist. Dabei habe ich beschlossen, für das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft zu stimmen . Nachdem ich lange abgewogen habe, sind für meine Entscheidung folgende Gründe ausschlaggebend:

1. Wir brauchen mehr Organspenden und mehr Vertrauen

Grundsätzlich gilt: in Deutschland besitzen nur 36 Prozent der Bürgerinnen und Bürger einen Organspendeausweis. Das sind zu wenige, um den Bedarf zu decken. Gleichzeitig sehe ich an vielen Zuschriften und Gesprächen, dass viele Menschen verunsichert sind. Gerade der Skandal von 2012 hat dazu beigetragen, dass viele sich fragen: helfe ich im Falle eines Hirntodes mit meiner Spende wirklich einem notleidenden Menschen oder unterstütze ich damit im Zweifel ein kriminelles Vergabesystem? Um das Vertrauen in die Organspende zu stärken, kann der Staat die Zustimmung deshalb nicht automatisch voraussetzen. Vielmehr brauchen wir bei einem so sensiblen Thema weiter das System der Freiwilligkeit und ausdrücklichen Zustimmung – aber wir müssen es besser organisieren.

 

2. Hohe Organspendezahlen kommen durch gute Organisation

Um das Ziel mehr Organspenden zu ermöglichen zu erreichen, ist die Frage von Zustimmung und Widerspruch nicht die entscheidende. Vielmehr geht es darum, wie wir Organspende in Deutschland organisieren, weil Studien zeigen, dass Krankenhäuser den Hirntod von Patientinnen und Patienten nicht immer anzeigen. Mit anderen Worten: es könnten Organe gespendet werden, aber es geschieht aus finanziellen oder organisatorischen Gründen nicht. Solange aber diese Menschen nicht registriert werden, ist es egal, ob sie einer Organspende zugestimmt oder widersprochen haben. Daher muss der Staat hier ansetzen. Zumal es zwischen Kliniken auch große Unterschiede gibt: manche Kliniken melden 27 Prozent der Behandlungen an die Deutsche Stiftung Organspende; andere wiederum nur ein Prozent. Wenn wir jedoch flächendeckend Melderaten von 25 Prozent hätten, dann wären die Organspenderaten in Deutschland ähnlich gut wie im Musterland Spanien. Außerdem hat die Große Koalition mit dem Gesetz zur besseren Zusammenarbeit und Strukturen in der Organspende (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/gzso.html) bereits einen Schritt in Richtung besserer Organisation gemacht hat. Da seitdem die Transplantationsbeauftragten mehr Zeit und Befugnisse haben und die Krankenhäuser dafür besser vergütet werden, ist bereits dadurch eine Verbesserung der Organisation eingetreten. Weil das Gesetz erst seit dem 01.04.2019 in Kraft getreten ist, liegen noch keine Evaluationsergebnisse dazu vor.

Das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft verbessert diese Organisation weiter, indem wir besser organisieren, dass es mehr Menschen gibt, die nicht nur bereit sind zu spenden, sondern auch einen entsprechenden Ausweis tragen und registriert sind. Das wird erreicht, indem die Bürgerinnen und Bürger regelmäßig – beispielsweise bei Beantragung des Personalausweises oder des Führerscheins – aber auch durch HausärztInnen an eine Entscheidung zur Organspende erinnert werden. Außerdem ist ein bundesweites Onlineregister vorgesehen, in das die eigne Bereitschaft einfach eingetragen und auch jederzeit wieder geändert werden kann.

 

3. Der Staat muss alle Menschen schützen

Unser Grundgesetz verpflichtet den Staat, Menschen nicht zu objektivieren und ihre Würde bewahren. Bei der Organspende geht das meiner Ansicht nach nur, wenn jemand dieser ausdrücklich zustimmt. Es gibt Menschen die können oder wollen sich mit diesem Thema zu einer bestimmten Zeit nicht auseinandersetzen. Gerade sie aber – oft die Schwächsten unserer Gesellschaft – muss der Staat schützen. Menschen in sehr schwierigen Lebensumständen, psychisch Kranke und andere Menschen, die sich aus verschiedensten Gründen nicht mit der Organspende befasst haben – ihre Zustimmung darf der Staat nicht automatisch voraussetzen. Andernfalls ginge der Charakter einer Spende verloren, denn die muss freiwillig sein. Darum kann ich der Widerspruchslösung nicht zustimmen.

Ich trage seit meinem 18. Lebensjahr einen Organspendeausweis, weil ich es wichtig finde, dass in meinem Todesfall die Chance genutzt wird, anderen Menschen mit meinen Organen noch zu helfen. Weil jede und jeder von uns in die Situation kommen kann eine Organspende zu benötigen, ist es wichtig, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen. Der Staat aber kann diese Auseinandersetzung nicht garantieren und darf sie über ein ‚wer-schweigt-stimmt-zu‘ nicht erzwingen.

Wiebke Esdar