Hallo, mein Name ist Bennet. Ich bin 18 Jahre alt und seit Anfang September mache ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik im Berliner Büro der Bielefelder und Wertheraner Bundestagsabgeordneten Wiebke Esdar. „Ein FSJ in der Politik, so etwas gibt es?“ Das wurde ich in den letzten Wochen oft gefragt. Bis ich in der Zeitung davon las, war es auch mir unbekannt. Nach zwei Monaten, die wie im Flug vergangen sind, teile ich nun meine Erfahrungen mit euch.
Zunächst kurz zu meiner neuen Chefin: Wiebke ist 39 Jahre jung. Sie sitzt seit 2017 im Bundestag und wurde bei den beiden vergangenen Wahlen jeweils direkt von den Bürgerinnen und Bürgern ins Parlament gewählt. Bevor sie Berufspolitikerin wurde, hat sie selbst in der Wissenschaft gearbeitet und ein Forschungsprojekt an der Uni Bielefeld geleitet. Heute ist sie unter anderem Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags. Dort ist sie zuständig für den Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, entscheidet also mit darüber, in welche Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungseinrichtung wie viel Geld des Bundes fließt. Sie begegnet mir immer auf Augenhöhe und versucht mir mein Jahr so interessant wie möglich zu gestalten.
Zu Beginn meines ersten Tages lernte ich meine zukünftigen Kolleginnen und Kollegen kennen: Anna, Jan und Pat, der Berliner Teil des Teams, begrüßte mich herzlich bei einem gemeinsamen Mittagessen. Das vierköpfige Team im Bielefelder Wahlkreisbüro lernte ich kurz darauf per Videokonferenz kennen.
Anschließend führte mich meine Vorgängerin Julia durch die Liegenschaften des Bundestages. Sie zeigte mir den Reichstag, die Dachterrasse mit Kuppel und weitere wichtige Orte. So auch die drei großen „Nebengebäude“ des Reichstags, die allesamt nach politischen Persönlichkeiten der Geschichte benannt wurden und heute unterschiedliche Funktionen haben: Zunächst das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, benannt nach Marie Elisabeth Lüders, einer Frauenrechtlerin und ehemaligen Politikerin der FDP. Das MELH, welches wir über eine Brücke über die Spree erreichten, dient heute hauptsächlich der Bundestagsverwaltung als Arbeitsort, beherbergt aber auch die drittgrößte Parlamentsbibliothek der Welt und einen großen Sitzungssaal, in dem die wichtigsten parlamentarischen Untersuchungsausschüsse stattfinden. Auch eine Sporthalle, in der die Mitglieder des FC Bundestag für ihre nächsten Matches trainieren, findet sich hier. Als nächstes ging es weiter ins JKH, also ins Jakob-Kaiser-Haus. Jakob Kaiser war ein CDU-Politiker und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Das Haus führt mit zwei Gebäudeteilen über die Dorotheenstraße hinweg, beheimatet die Büros der Fraktionsvorsitzenden und der Arbeitsgruppenvorsitzenden und die Mitarbeiterkantine. Und schließlich zurück ins PLH, dem Paul-Löbe-Haus, wo auch Wiebke und wir als Team unsere Büroräumlichkeiten haben. Paul Löbe war Sozialdemokrat und Reichstagspräsident . Im PLH finden sich heute die kleinen bis großen Säle für die 23 Ausschüsse des Deutschen Bundestags, vom Landwirtschaftsausschuss über den Bildungsausschuss bis hin zum Haushaltsausschuss. Außerdem finden in der großen Mittelhalle des PLH zahlreiche, wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen statt.
Beim Rundgang durch die Gänge und Wege des Bundestags benutzte Julia viele Abkürzungen, was ein Vorgeschmack für die nächsten Wochen werden sollte. Ich war beeindruckt von der Architektur und den Menschen, die herumliefen. Vor allem aber war es der Eindruck des Mittendrin-Seins an den Orten, die man sonst nur aus den Medien kennt, der mich überwältigte.
Mittendrin statt nur dabei war auch das Stichwort für die nun folgenden Tage im Büro: Meine Anfangszeit im neuen Team fiel nämlich unmittelbar in die heiße Phase der Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2024. Somit war Wiebkes Terminkalender prall gefüllt: Besprechungen mit dem Team, Rücksprache mit der Fach-AG der SPD-Bundestagsfraktion für Bildung und Forschung, zahlreiche Gespräche mit Bildungs- und Wissenschaftsinitiativen, die gerne eine Förderung aus dem Bundeshaushalt hätten. Und natürlich auch die ersten Verhandlungsrunden mit anderen Abgeordneten zum Bundeshaushalt.
Bei alledem konnte ich dabei sein und Wiebke in den folgenden Tagen bei unterschiedlichen Terminen begleiten, so z.B. zum ARD-Hauptstadtstudio. Auch versuchte ich, mich allein in den Gebäuden zurechtzufinden. Dass der Beginn der Haushaltswochen unmittelbar mit dem meines FSJ zusammenlief, bedeutete für meine Kolleginnen und Kollegen viel Stress. Ich hingegen konnte sofort in die praktischen politischen Prozesse eintauchen und erleben, wie Entscheidungsfindung in der Politik aussieht. Dabei wurde ich voll in das Team integriert und meine häufigen Fragen geduldig beantwortet.
Beim ersten Seminartag lernte ich kurz darauf weitere FSJler kennen, die bei anderen Bundestagsabgeordneten, Fraktionen, Stiftungen und weiteren Organisationen beschäftigt sind. Hierbei erfuhr ich mehr über die Seminarwochen, die noch folgen werden und auf die ich mich besonders freue.
Mit dem SPD-Praktikant:innenprogramm besuchte ich den Bundesrat, hörte dem Schweizer Botschafter zu und durfte ihm Fragen zur schweizerischen Außenpolitik stellen. Auch im Plenum habe ich einige Male zugesehen. Sogar den Kanzler mit Augenklappe, die er für wenige Tage nach einem Sturz beim Joggen tragen musste, konnte ich reden hören. In den kommenden Wochen werde ich vor allem mit dem Praktikant:innenprogramm viele weitere Exkurse von meiner eigentlichen Beschäftigung unternehmen, die vor allem aus Terminbegleitung, Social Media und anderer Büroarbeit besteht. Wie mein Arbeitsalltag aber genau aussieht, berichte ich euch in einem künftigen Beitrag noch einmal näher.
Alles in allem war der erste Monat meines FSJ-P bei Wiebke ein überaus packender. Besonders der offene, herzliche Umgang von meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Büro und von Wiebke selbst lässt mich mit Vorfreude und Neugier auf die kommenden Monate blicken. Ich werde weiter berichten.
Bis bald, euer Bennet