Wenn ich ehemaligen SchulfreundInnen oder Bekannten erzähle, dass ich mein Freiwilliges Soziales Jahr im Bundestag absolviere, sind die Reaktionen meist Erstaunen, Ehrfurcht und auch Begeisterung über das politische Engagement junger Menschen. „Wie bist du denn darauf gekommen?“, „Hast du Angela Merkel schon getroffen?“ und „Sorg mal dafür, dass was gegen die Klimakrise getan wird!“ sind wohl die häufigsten Antworten, die ich darauf zu hören bekomme.
Ich bin Linnea Fenske, 18 Jahre alt aus Berlin und aktuelle FSJlerin im Bundestagsbüro von Wiebke. Seit dem ersten September 2019 bis Ende August nächsten Jahres bin ich täglich im Bundestag unterwegs und darf das aktuelle politische Geschehen in Deutschland aus nächster Nähe miterleben.
Anfangs war auch ich etwas ehrfürchtig, als ich das erste Mal meinen Hausausweis vorzeigen musste oder durch die unterirdischen Gänge des Bundestages geirrt bin. Das alles erschien mir noch ein bisschen unwirklich. Das hier sind schließlich die gleichen Gänge und Gebäude, in denen sich auch die Politik-Promis, die man sonst nur aus dem Fernsehen oder von Wahlplakaten kennt, rumtreiben. Man muss sich erstmal daran gewöhnen, wenn man auf dem Flur plötzlich einem Lars Klingbeil, Phillip Amthor oder unseren Kollegen von der AfD begegnet. Da kochen dann eventuell spontane Emotionen hoch, die lernt man aber zurück zu halten. ;)
Und auch der Arbeitsalltag war etwas, auf das ich mich erstmal einstellen musste. Von vier Monaten am Stück Urlaub und Freizeit nach dem Abi die plötzliche Umstellung auf eine 40-Stunden-Woche mit einem Großteil der Zeit im Büro war nicht unbedingt die leichteste Übung.
Trotzdem habe ich das Gefühl, in meinen ersten zwei Monaten hier schon eine ganze Menge gelernt zu haben. Wahrscheinlich ungefähr so viel, wie in zwei Jahren Politik-Leistungskurs gemeinsam. Das ist ein bisschen, wie mit einer Sprache: geht man einmal pro Woche zum Unterricht, lernt man zwar auch die Grundlagen und wichtigen Vokabeln, wenn man aber im Land selbst ist und zuhört und gezwungen ist, selber zu sprechen, geht das Ganze doch um einiges schneller. Ich wusste zwar grob, wie Gesetzgebungsverfahren, Plenardebatten oder Abstimmungen ablaufen, das alles aus nächster Nähe mitzubekommen, schafft aber noch mal ein ganz anderes Verständnis. So ist jeder Tag aufs Neue spannend, weil man nie so richtig weiß was einen erwartet.
Trotzdem schleicht sich nach und nach eine gewisse Routine ein. Das Zurechtfinden wird immer leichter, man lernt seine Freizeitplanung nach der Arbeit und den Sitzungswochen zu richten und auch inhaltlich wird es einfacher den Gesprächen zu folgen. Kurz gesagt, das Arbeiten im Bundestag wird zum Alltag.
Dabei macht natürlich auch nicht immer alles Spaß. Am Freitag vor einer Sitzungswoche zum Beispiel heißt es immer: Unterlagen vorbereiten. Das ist dann ein andauernder Copy-and-Paste-Prozess, bei dem Dokumente aus Ausschuss-Tagesordnungen in Ordner kopiert und umbenannt werden müssen, damit Wiebke einen Überblick hat und sich inhaltlich vorbereiten kann. Also nicht unbedingt die sinnstiftendste Beschäftigung, aber es muss gemacht werden.
Dem gegenüber stehen dann aber so coole Sachen, wie Plenardebatten verfolgen, an AG- oder Ausschusssitzungen teilnehmen und auch Besuchergruppen durch das Gebäude führen, weil man dabei immer noch eine neue Ecke kennenlernt und Fragen gestellt bekommt, auf die man vielleicht selbst noch gar nicht gekommen ist.
Besonders spannend ist es für mich auch, dass Wiebke direkt für Bielefeld in den Bundestag gewählt wurde. Anders, als die zwei FSJler vor mir komme ich nämlich nicht aus Bielefeld, sondern bin in der Hauptstadt groß geworden. Die meiste Bielefeld-Arbeit wird natürlich vom Wahlkreis-Büro übernommen, aber trotzdem habe ich das Gefühl die Stadt und die Menschen schon etwas kennen gelernt zu haben. Durch BürgerInnenbriefe und –anrufe und das tägliche Erstellen einer Presseschau bin ich bestens informiert über Straßenbauprojekte, das neue Mobilitätskonzept oder die aktuellen Fußballergebnisse der Arminia.
Neben dem Alltag im Bundestag gehören zu meinem FSJ auch Seminarfahrten, also das Zusammentreffen mit anderen FSJlerInnen. Im Oktober, in der ersten von insgesamt fünf Seminarwochen, habe ich die anderen Freiwilligen erstmals kennengelernt. Nicht jede*r von denen ist natürlich im Bundestag. Viele arbeiten bei politischen Stiftungen oder NGO´s, deshalb war es auch mal ganz spannend, einen Einblick zu bekommen, wie sie durch ihre Arbeitsstelle gewisse Dinge wahrnehmen und wie die allgemeine Haltung dort zur Politik ist. Die Leute, die auch im Bundestag sind, arbeiten zum Großteil bei anderen Parteien, von daher gab es da natürlich auch viel Diskussionspotential.
Neben den Seminarfahrten gibt es noch ein weiteres cooles Extra, das ich als FSJlerin in Anspruch nehmen kann. Die SPD-Bundestagsfraktion hat ein PraktikantInnenprogramm, an dem ich als FSJlerin natürlich teilnehmen darf. In diesem Rahmen werden Führungen, Besichtigungen und Diskussionsrunden mit PolitikerInnen und ExpertInnen organisiert.
Dabei durfte ich schon über Klimaschutzgesetze, Wahl- und Urherberrechtsreformen und eine gemeinsame europäische Klimapolitik diskutieren und natürlich mit anderen PraktikantInnen zusammentreffen, die aus allen Ecken der Republik nach Berlin gekommen sind, um die Arbeitsweise des Bundestages kennenzulernen.
Um also abschließend ein Fazit zu ziehen:
Meine ersten Wochen im Bundestag waren ein Erlebnis. Ich habe viel gelernt, gefragt und zugehört. Ich war verwirrt und müde, habe mich (mehr als einmal) verlaufen, Termine und Raumnummern verwechselt, mein erstes eigenes Geld verdient und ein IPad aus dem Fundbüro abgeholt. Ich habe eine Rede von Heiko Maas gesehen, wurde vom Sicherheitsdienst aufgehalten und habe gleich in meiner ersten Ausschusssitzung eine lautstarke Rücktrittsforderung miterlebt.
Man merkt also, hier im Bundestag ist immer eine Menge los. Von daher freue ich mich schon auf die nächsten spannenden zehn Monate, die noch vor mir liegen und in denen ich hoffentlich noch eine ganze Menge mehr lernen und erleben kann!
Linnea Fenske