Es steckt schon im Wort Daseinsvorsorge drin: da sein, nämlich für die Bürgerinnen und Bürger. Besser kann man für mich eine der wichtigsten Aufgaben des Staates nicht beschreiben: die zuverlässige Versorgung mit Straßen, Schienen und ÖPNV, mit Wasser, Energie und Internet, mit wohnortnahen Krankenhäusern, bezahlbarem Wohnraum, mit Bildungs- und Kultureinrichtungen, mit Feuerwehr und Polizei, mit Schwimmbädern, Friedhöfen und, und, und. In unserer Demokratie haben wir uns darauf geeinigt, dass diese Leistungen jeder und jedem zustehen sollen. Zwar nicht zum Nulltarif, denn dazu tragen wir alle gemeinsam mit unseren Abgaben und Steuern bei. Doch sollen diese für alle erschwinglich sein und das gelingt, indem Bürgerinnen und Bürger mit höheren Einkommen auch einen größeren Anteil erbringen.
So leicht kann man eine funktionierende Daseinsvorsorge zusammenfassen. Doch leider stimmt dieses Bild nicht immer mit der Realität überein: Da klagen Bewohnerinnen und Bewohner in den Städten über explodierende Mieten und Wohnungsnot; da befürchten Menschen auf dem Land, ohne schnelles Internet abgehängt zu werden; oder da fordert eine private Stiftung, die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland auf 600 zu halbieren und damit längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. Wo ist er also, der verlässliche Staat?
Für mich steht fest: ein zuverlässiger Staat ist einer, der die Daseinsvorsorge dem Profitstreben privater Unternehmen entzieht. Denn der Zugang zu Trinkwasser oder eine gute medizinische Versorgung sind Grundrechte, bei denen es nicht ums Geldverdienen gehen darf. Deshalb sollte die Daseinsvorsorge vor allem in den Händen des Staates liegen, aber auch in denen von Wohlfahrtsverbänden wie dem Roten Kreuz oder der Arbeiterwohlfahrt.
Allerdings haben etwa viele Kommunen in der Vergangenheit den Fehler gemacht, öffentliche Daseinsvorsorge wie z. B. Kanalisationen oder die Versorgung mit Strom und Wärme an private Investoren zu verkaufen. Was kurzfristig Geld brachte, erschwert manchen Städten und Gemeinden heute, auf die Bedürfnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu reagieren. Zudem hat es nebenbei noch die Arbeitsbedingungen der betroffenen Beschäftigten verschlechtert.
Deshalb müssen wir diese Fehler korrigieren. Was verkauft wurde, muss wieder in den Besitz von Kommunen, Ländern und Bund. Wo das aber nicht möglich ist und Daseinsvorsorge in privater Hand ist, brauchen wir einen gesetzlichen Renditedeckel. So bleibt ein Unternehmensgewinn zwar weiter möglich, aber es ist auch sichergestellt, dass Geld in die Daseinsvorsorge zurückfließt. Das stärkt auch verantwortungsvolle Unternehmerinnen und Unternehmer, während es solche abschreckt, die unsere Daseinsvorsorge als Melkkuh missbrauchen wollen.
Wer eine gute Daseinsvorsorge will, der muss sich übrigens auch dafür einsetzen, dass die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz bzw. den Länderverfassungen gestrichen wird. Wer sich für die Schuldenbremse ausspricht, also dass der Staat keine neuen Schulden machen darf, sagt gerne: „Wir dürften der künftigen Generation keine neuen Schulden aufhalsen!“ Doch ich frage mich: ist es wirklich generationengerecht, wenn junge Menschen in unserem Land genau durch diese Politik mit noch höheren Folgekosten belastet werden? Ich finde: wenn der Staat einen günstigen Kredit aufnimmt, um eine langfristig kluge Investition zu machen, dann ist das eine Politik, von der alle Generationen profitieren. Das gilt besonders in der Daseinsvorsorge und deshalb kritisiere ich öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP).
Stellen wir uns als Beispiel den Bau einer Autobahn vor: Dieser ist sehr teuer, aber der Staat hat zu wenig Geld für diese Investition. Doch er darf sich auch keines bei der Bank leihen, weil ihm das die Schuldenbremse verbietet. Trotzdem haben Gutachten gezeigt, dass der Bau der Autobahn eine gute Idee ist: sie hilft vielen Bürgerinnen und Bürgern, schneller zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen; sie hilft den Unternehmen, Güter leichter von einem Ort zu einem anderen zu bringen; und sie hilft dem Staat, der dadurch mehr Steuereinnahmen bekäme. Was also tun?
In genau solchen Situationen entscheiden sich Kommunen, Länder oder der Bund nicht selten für eine öffentlich-private Partnerschaft: für unser Beispiel hieße das, nicht der Staat bezahlt die Autobahn, sondern private Investoren. Weil aber die Investoren nichts davon haben, alleine auf einer Autobahn zu fahren, schließen beide Seiten einen Vertrag: der Staat pachtet die Autobahn von ihnen über mehrere Jahrzehnte, damit alle die Autobahn nutzen dürfen. Die Investoren verdienen so Geld und halten im Gegenzug die Autobahn in Stand. So weit, so gut? Die Realität sieht leider oft anders aus.
Denn private Investoren leben vom Wettbewerb und machen dem Staat ein möglichst günstiges Angebot. Nur verschleiern sie damit, dass ihre Finanzierungskosten in Wahrheit deutlich höher liegen. Das Ergebnis? Der Staat bleibt auf den Restkosten sitzen und die sind am Ende deutlich höher, als wenn der Staat das Projekt über einen Kredit selbst finanziert hätte. So bereits vielfach geschehen! Das aktuell bekannteste Beispiel ist der Ausbau eines Teilabschnittes der A1 zwischen Bremen und Hamburg: hier führt die Betreibergesellschaft seit Jahren eine Millionenklage gegen den Bund, um sich Einnahmeausfälle erstatten zu lassen.
Gute Daseinsvorsorge heißt am Ende also, dass das Allgemeinwohl im Mittelpunkt steht. Allerdings gelingt das dann am besten, wenn sich der Staat oder Wohlfahrtsverbände darum kümmern. Doch dazu müssen wir den Staat in die Lage versetzen, auch indem wir Schulden nicht verteufeln, sondern für kluge Investitionen geschickt nutzen. Denn so können wir eine Daseinsvorsorge schaffen, die da ist für die Bürgerinnen und Bürger. Und wenn uns das gelingt, ist sie der Beweis für einen funktionierenden Staat und stärkt das Vertrauen in unsere Demokratie.