Zwischen Puddingtown und Bundestag oder Fahrstuhl fahren mit dem Vizekanzler

Aus 370 000 Einwohnern werden 3,7 Millionen, aus dem guten Mittelfeld der zweiten Liga ein FC Bayern-Besieger, aus der Puddinghauptstadt, die echte Hauptstadt. Von Bielefeld nach Berlin zu gehen, das macht schon einen kleinen Unterschied. Dennoch freute ich mich natürlich riesig, als ich im Juli dieses Jahres erfuhr, dass ich das Team von Wiebke Esdar ab dem 1. September im Deutschen Bundestag während meines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) unterstützen darf. Nun sind die ersten Wochen vorüber und ich komme langsam aber sicher im Bundestag an. Ich lerne von Tag zu Tag mehr, wie im Herzen der Bundespolitik gearbeitet wird.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir nach den ersten Tagen in Wiebkes Büro der Kopf dröhnte. Nach meinem Abitur hatte ich drei Monate mehr oder weniger nur auf der faulen Haut gelegen und jetzt wurde ich von so vielen, unglaublich spannenden Eindrücken dermaßen geflasht, dass ich einige Zeit brauchte, um mich erst einmal zu sortieren. Ich will an dieser Stelle versuchen, das bisher Erlebte einigermaßen prägnant zusammen zu fassen.

Nachdem mich das Berliner Team sehr herzlich und freundlich aufgenommen hatte, war es an der Zeit, mich zunächst in die Arbeitsweise im Büro einzuarbeiten. Auch um den Umfang von Wiebkes politischen Inhalten genau zu verstehen, brauchte ich einige Zeit. Hinter den Kulissen des Titels AG Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung passiert nämlich inhaltlich viel, viel mehr, als man sich vorstellen kann. Worum geht es beim Qualitätspakt Lehre? Wie gehen wir mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz um?  Wie können wir die Qualitätsoffensive Lehrerbildung angehen? Was passiert mit dem Erasmus-Programm, wofür steht DAAD, ÜBS, BOP oder WGL und wann geht es endlich mit dem Digitalpakt los? Dies sind z.B. nur ein paar der Fragen, die mir bei der Auseinandersetzung mit der Bildungspolitik begegnet sind. Und davon, was diesbezüglich bei Wiebkes zweitem Schwerpunkt, der AG Finanzen los ist, will ich gar nicht erst anfangen ;).

Nach nun etwas mehr als einem Monat fange ich auch langsam an zu begreifen, wo ich jeden Morgen zum Arbeiten eigentlich rein marschiere. Die Liegenschaften des deutschen Bundestages und die Tatsache, dass ich jeden Morgen meinen Hausausweis mit dem Bundesadler drauf beim Sicherheitsdienst vorzeige, haben mich am Anfang schon erstmal überwältigt. Zu Beginn dachte ich auch, ich werde mich niemals im Tunnelsystem zurechtfinden, welches mit all den unterirdischen Wegen die verschiedenen Gebäude des Bundestages miteinander verbindet. Aber inzwischen komme ich schon einigermaßen gut von A nach B. Nur das Jakob-Kaiser-Haus (JKH) ist nach wie vor ein großes Rätsel für mich, aber welches System hinter der Nummerierung der Räume steckt, wird wohl auch für immer ein großes Geheimnis bleiben.

Aber natürlich sitze ich nicht nur im Büro und irre durch das JKH, sondern ich nehme auch aktiv am politischen Leben teil. Ich habe Workshops in der Facebook-Zentrale und den Ministergärten besucht, habe an Büro- und Teambesprechungen teilgenommen, habe Wiebke bei Terminen mit Besuchergruppen begleitet, habe Ausschuss- und AG-Sitzungen besucht und wohnte Plenardebatten bei. Und, eines meiner persönlichen Highlights, ich bin mit dem Vizekanzler Fahrstuhl gefahren! :D Die Geschehnisse in den Netflix-Serien sind gar nicht mal so weit weg… ;)

Ich war bei meinem ersten Besuch im Plenum gerade vor fünf Minuten angekommen und hatte einigermaßen realisiert, an was für einem historischen Ort ich hier bin, da verließ die komplette AfD-Fraktion geschlossen als Reaktion auf die Rede von Johannes Kahrs den Plenarsaal. Als diese Aktion am Abend die Berichterstattungen in sämtlichen deutschen Leitmedien dominierte, wurde mir endgültig klar: Näher dran als du hier bist, geht es nicht.

Gott sei Dank stehe ich in diesem riesigen Konstrukt „Bundestag“ nicht alleine da. Neben dem wirklich tollen Berliner Team, treffe ich mich auch immer wieder mit den anderen FSJlern zum Mittagessen oder auf ein Feierabendgetränk. Außer mir gibt es nämlich noch sechs weitere Jugendliche, die bei verschiedenen Abgeordneten ein FSJ im Bundestag absolvieren dürfen. So treffe ich nicht nur Gleichgesinnte hier vor Ort, sondern lerne auch neue Freunde aus der ganzen Republik kennen.

Ich freue mich riesig auf die kommenden Wochen und Monate und bin unheimlich gespannt, was ich noch alles erleben und welche Menschen ich alle treffen werde. Davon werde ich euch an dieser Stelle natürlich schon bald wieder berichten!