- Mein Tagespraktikum bei der Gemeindepflegestation -
Jedes Jahr mindestens ein Tagespraktikum im Bereich der Pflege zu absolvieren: das ist eine meiner Bielefeld Ideen, die ich vor der Wahl versprochen habe. Ich möchte diese Gelegenheiten nutzen, um praktische Erfahrungen besser und persönlicher nach Berlin tragen zu können. Einlösen durfte ich mein Versprechen jetzt erstmals in der Gemeindepflege der evangelisch-reformierten Gemeinde an der Süsterkirche.
Also hieß es für mich am letzten Donnerstag zeitig aufzustehen, denn die Frühschicht begann bereits um 06:45 Uhr. Nach Einteilung der Routen fuhren Schwester Isabelle und ich im roten Flitzer durch die Stadt.
Ambulante Pflege bedeutet, pflegebedürftige Menschen in ihrem Zuhause zu besuchen und zu versorgen, damit sie in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können. Die Arbeitszeiten der Pflegerinnen und Pfleger sind dabei am Tagesablauf der Patientinnen und Patienten orientiert, was für das Pflegepersonal Schichtarbeit bedeutet und oft zu Lasten der eigenen Familien geht. Ein Zielkonflikt, der sich nicht auflösen lässt.
Die Aufgaben, bei denen ich helfen durfte, waren vielfältig. Wir haben den Unterstützungsbedürftigen beim Aufstehen geholfen und sie anschließend in den Rollstuhl gesetzt, wir haben sie im Bett oder unter der Dusche gewaschen und für den Tag gekleidet. Dabei wurde mir schnell klar, wie anstrengend und herausfordernd die Arbeit in der ambulanten Pflege ist. Zunächst natürlich körperlich, da die Arbeit oft mit Heben oder Waschen verbunden ist. Aber sie ist vor allem auch psychisch herausfordernd, denn die Pflegenden begleiten ihre Patienten oft über lange Zeiträume, manchmal bis zum Ende deren Lebenswegs. Sich damit immer wieder konfrontiert zu sehen, ist sicher schwer. So erleben die Pflegenden hautnah mit, wie Menschen, zu denen sie dank ihrer Arbeit eine Beziehung aufgebaut haben, immer weniger selbstständig leben können und immer mehr auf Hilfe angewiesen sind. Gerade bei dementen Patientinnen und Patienten ist es aber besonders wichtig, dass die Pflegenden sie als Bezugspersonen langfristig begleiten, denn mit der Zeit fällt den Betroffenen auch das Sprechen immer schwerer.
Ich möchte mich daher für diesen sehr intensiven Tag und die beeindruckende Erfahrung noch einmal ganz herzlich bei Schwester Isabelle und dem gesamten Team der Gemeindepflege bedanken! Ich nehme viele Eindrücke und Erfahrungen mit, die ich auch politisch nutzen möchte, um die Situation der Pflegenden und Gepflegten zu verbessern.
Der Pflegeberuf ist bekanntermaßen gerade für seine hohen Anforderungen stark untervergütet. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir wollen (…) dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen. Wir wollen angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen in der Altenpflege.“ Wir müssen uns jetzt darum kümmern, dass diese Forderungen auch tatsächlich und in angemessener Form umgesetzt werden. Des Weiteren muss dem fortschreitenden Fachkräftemangel wirksam entgegen getreten werden. Gerade die Ausbildung in Pflegeberufen muss attraktiver gestaltet werden, damit sich mehr junge Menschen für dieses Berufsfeld entscheiden und nicht abgeschreckt werden. Anstatt auch noch Schulgeld bezahlen zu müssen, brauchen wir endlich eine verankerte Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz. Diese Forderung aus dem SPD-Wahlprogramm hat auch Eingang in den gestern unterzeichneten Koalitionsvertrag gefunden. Ich werde dieses wichtige Thema weiter intensiv begleiten.