Es ist ein Paradigmenwechsel: In dem neuen Modellprojekt des Bielefelder Jobcenters treffen die Teilnehmenden die Entscheidungen. Ehemalige Betroffene unterstützen als Vertrauenspersonen. Und die Beratung findet außerhalb des Jobcenters statt. Die Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar informierte sich am vergangenen Dienstag über das Projekt, das neue Wege geht.
Das Projekt BEA wurde in Zusammenarbeit mit Betroffenenverbänden und der FH Bielefeld entwickelt. Zielgruppe sind psychisch und Abhängigkeitserkrankte im Leistungsbezug nach dem SGB II. Durch das inklusive Vorgehen werden die Chancen auf eine gesellschaftliche und berufliche Teilhabe verbessert. In den nächsten fünf Jahren erhalten 475 Personen eine individuelle Unterstützung.
Die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar wurde von der Bundesregierung darüber informiert, dass das Jobcenter Arbeitplus den Zuschlag für das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms rehaPro erhalten hat und in Bielefeld in den nächsten fünf Jahren mit 5,5 Mio. Euro gefördert wird. Wegen ihres hohen Interesses an innovativen Arbeitsmarktprojekten ließ sie sich durch den Geschäftsführer des Jobcenters, Rainer Radloff, genauer informieren.
Innovativ und deshalb mit dieser hohen Summe förderfähig ist „BEA“, weil das Projekt vieles anders macht als die klassische Arbeitsmarktpolitik. Dies spiegelt sich auch im Namen wider: „BEA“ steht für „Beraten-Ermutigen-Assistieren“.
Beraten werden die Teilnehmenden sowohl durch das Jobcenter als auch durch selbst Betroffene bzw. Ehrenamtliche, sogenannte Peer-Beraterinnen und -Berater. In Bielefeld werden 25 Personen für das Projekt qualifiziert und zertifiziert. Diese BEA-Begleitungen können durch einen anderen Zugang zu Vertrauenspersonen werden, die Schwächen akzeptierten und damit positiv einwirken. Von Teilen der Zielgruppe wird eine Beratung in den Räumlichkeiten des Jobcenters als bedrohlich wahrgenommen. Um eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu gewährleisten, wird die Beratung deshalb außerhalb der Behörde stattfinden.
Ermutigen: Die BEA-Begleitung kann den Teilnehmenden als Vorbild dienen, da sie eigene Lebensbarrieren überwunden hat, die die Teilnehmenden unter Umständen noch als unüberwindbare Hürden für sich wahrnehmen. Denn die Peer-Berater waren selbst psychisch oder erkrankt, haben diese Krisen überwunden und können sich authentisch mit den Betroffenen über deren Leben austauschen.
Assistieren: BEA-Begleitung und Prozessmanagement des Jobcenters bilden ein Netzwerk. Das Prozessmanagement des Jobcenters verzahnt sich mit den individuellen Akteuren aus den Lebenswelten der Teilnehmenden (Kliniken, Therapeuten, Beratungsstellen etc.) mit dem Ziel, das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden der Teilnehmenden zu steigern. Rückfälle werden im Projekt BEA von vornherein mitgedacht. Zudem wird im einzelfallzentrierten Netzwerk nach Lösungen gesucht.
Eine weitere Besonderheit des Projektes ist das individuelle Budget. Damit lassen sich innovative und bedarfsorientierte Leistungen, die auf die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe ausgerichtet sind, ermöglichen, die aktuell mit den Leistungen des SGB II nur eingeschränkt zugänglich sind. Das Portfolio der in Frage kommenden Angebote reicht von individueller Begleitung bis zu Hilfestellung in allen Bereichen, die die Lebenssituation des Einzelnen verbessern.
Für Wiebke Esdar ist BEA nur eines von vielen positiven Beispielen, wie das SGB II in Bielefeld neu gedacht wird: „Das Jobcenter Arbeitplus hat sich auf den Weg gemacht – weg von „Hartz IV“ und hin zu einer Grundsicherung, die Mut macht. Das Projekt sollte auch auf andere Zielgruppen ausgeweitet werden.“
Das Projekt zielt vorrangig auf soziale Teilhabe: Die acht Jobcenter-Mitarbeitenden und 25 Peer-Beratenden sollen die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden verbessern und sie so in die Lage versetzen, eigene Ressourcen zu erkennen, Teilhabechancen zu erhöhen und ihre Erwerbsfähigkeit zu stärken. Interessierte können selbst zu BEA-Begleitungen qualifiziert werden. Zum Abschluss des Projekts soll außerdem ein Modell entwickelt werden, wie sich Prozesse und Strukturen im Jobcenter ändern müssen, um eine kooperative Beratung zu ermöglichen.
BEA findet im Verbund mit den Jobcentern Herford, Höxter, Minden-Lübbecke und Bielefeld statt, die Projektkoordination liegt beim Jobcenter Arbeitplus Bielefeld. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt durch die FH Bielefeld, Fachbereich Sozialwesen.