Halbzeit.
Sechs Monate bin ich jetzt schon als FSJlerin im Bundestag unterwegs. Kaum zu glauben, dass die Hälfte meines Freiwilligendienstes damit schon um ist. Durch die vielen neuen Dingen, die ich in dieser Zeit gelernt habe, kommt es mir einerseits schon viel länger vor. Andererseits habe ich aber manchmal auch das Gefühl, bisher nur einen ganz kleinen Teil kennengelernt zu haben. Wenn ich plötzlich neue Gebäudeteile entdecke zum Beispiel oder mich mit anderen FSJler*Innen austausche, bei denen einige Dinge ganz anders laufen. So oder so freue ich mich aber auf die nächsten 6 Monate und bin gleichzeitig auch etwas traurig, dass meine Zeit im Bundestag dann vorbei sein wird.
Im März geht es für mich für ein paar Tage in den Wahlkreis nach Bielefeld. Für mich als Berlinerin ist es natürlich doppelt spannend und ein Muss, auch die Stadt und die Menschen kennenzulernen, die Wiebke im Bundestag vertritt.
Vor meiner Reise nach Bielefeld standen bei mir allerdings noch ein paar spannende Termine an. Mit dem Praktikantenprogramm der Fraktion war ich unter anderem als Gast auf der Regierungspressekonferenz, zu der sonst nur Journalist*Innen Zutritt haben.
Ganz besonders spannend war das Ganze, weil nur ein paar Tage zuvor der iranische General Soleimani bei einem US-Drohnenangriff getötet wurde. Es kamen also massenhaft Fragen an die Sprecherin aus dem Verteidigungsministerium zur dortigen Sicherheitslage und einem möglichen Einsatz bzw. Abzug der Deutschen Truppen aus der Region. Dabei kam es auch mal dazu, dass Aussagen der Ressortsprecher*Innen „unter zwei“ oder „unter drei“ getätigt wurden. „Unter zwei“ bedeutet, dass die gegeben Informationen nur „zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftgebenden“ gedacht sind. Es darf keine Film- oder Tonmitschnitte geben, das heißt alle Kameras müssen sich wegdrehen und die Mikros ausgestellt werden. „Unter drei“ heißt, die Informationen sind vertraulich, dürfen also auch ohne Angaben von Quellen nicht zitiert werden. Diese Dinge dann als Außenstehende aus erster Hand mitzubekommen, war schon etwas Besonderes, vor allem, wenn es um so ein wichtiges und hochaktuelles Thema geht.
Und auch sonst gab es vor und nach Weihnachten noch einige Highlights für mich. Ich hatte ein paar Diskussionsrunden mit dem Praktikantenprogramm mit Abgeordneten. Einige davon waren super interessant und kontrovers, andere eher weniger. Das hängt natürlich auch immer von den Abgeordneten selbst ab, wie viel sie erzählen möchten, wie offen sie für unsere Beiträge und Fragen sind. Sehr schön ist an dieser Stelle, dass es bei den Gesprächen die sogenannte „Chatham House Rule“ gibt, das heißt die Inhalte, über die gesprochen wurde, dürfen zwar weitergegeben werden, jedoch ohne dabei die Identität der Teilnehmer*Innen oder Redner*Innen offenzulegen. Unter dieser Regel gibt der/die ein oder andere Abgeordnete dann auch Einblicke, die man so sonst nicht bekommen hätte.
Ein Highlight war dabei natürlich ein Treffen mit unserem Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz, bei dem es offiziell um aktuelle Finanzpolitik, aber eigentlich auch um alle anderen aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland ging. Vor allem, aufgrund von Wiebkes Mitgliedschaft im Finanzausschuss war es natürlich toll, auch mal persönlich Fragen zu einigen Sachverhalten stellen zu können. Und von Soli-Abschaffung, über Finanztransaktionsteuer bis zur Mehrwertsteuerreform waren alle spannenden Themen dabei.
Außerdem war ich auch endlich mal wieder für eine Stunde im Plenum und habe Wiebke live reden gesehen. Ihre Rede zum Antrag der FDP „Steuerentlastungsgesetz 2020“ findet ihr hier.
Viel spannender, als den Reden der Opposition zu lauschen, finde ich aber meistens das ganze Treiben rundherum zu beobachten. Die Saaldiener*Innen, die Wassergläser oder Unterlagenordner bringen, die Besucher*Innengruppen auf den Tribünen, die manchmal interessiert, manchmal gelangweilt da sitzen, das Kommen und Gehen von Abgeordneten oder Ministerinnen und Ministern und natürlich, wenn der Bundestagspräsident einen Ordnungsruf erteilt.
Den Plenarsaal selbst dürfen übrigens nur die Abgeordneten, Regierungsmitglieder und die Saaldiener*Innen betreten. Wenn wir Mitarbeiter*Innen Unterlagen für Wiebke haben oder sie etwas vergessen hat, muss sie entweder raus kommen und es abholen oder die Saaldiener*Innen bringen es ihr rein. Da diese sich natürlich nicht die Namen aller 709 Abgeordneten inklusive Gesichtern merken können, haben sie eine Art Katalog mit Fotos und Namen der Abgeordneten aller Fraktionen, in dem sie nachschauen können.
Was nehme ich also mit aus meinen ersten sechs Monaten im Bundestag? Auf jeden Fall, dass nicht immer alles so läuft, wie man sich das von außen vorstellt. Debatten sind oft kontroverser und vielfältiger, als sie in der Öffentlichkeit geführt werden, ausnahmslos jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat sich schon einmal in den Bundestagsgebäuden verlaufen, Abgeordnete haben echt einen harten Job und Alexander Gauland sieht aus der Nähe genauso schlecht gelaunt aus, wie von weitem.