Seit dem Amtsantritt von Hubertus Heil im Bundesarbeitsministerium befindet sich die Grundsicherung für Arbeitssuchende fast unbemerkt in einem grundlegenden Wandel: An die Stelle der alten Leitlinie des “Förderns und Forderns”, die bei den Hartz-IV-Gesetzen bis dato im Vordergrund stand, tritt die neue Leitlinie „Ermutigung und Mitwirkung“, durch die der sozialpolitische Kern der Gesetze herausgeschält wird. In Bielefeld – immer wieder beachtet wegen seiner innovativen Arbeitsmarktpolitik – lässt sich dieser Paradigmenwechsel besonders gut beobachten.
Unterstützung für die „vergessenen“ Langzeitarbeitslosen
Diskussionen um Sanktionen und die Höhe von Regelsätzen haben häufig verdeckt, worum es in der Grundsicherung für Arbeitssuchende eigentlich geht. Das 2005 in Kraft gesetzte zweite Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) soll vor allem langzeitarbeitslosen Menschen neue Perspektiven aufzeigen und passende Unterstützungsangebote anbieten. In den neuen Behörden, den Jobcentern, wurden deshalb Beratungsfachkräfte qualifiziert und ein Fallmanagement etabliert. Doch auf der Angebotsseite gab es bislang leider keine langfristigen und passenden Optionen für Langzeitarbeitslose in annähernd ausreichender Zahl.
Erst unter dem neuen Arbeitsminister wurde mit dem Teilhabechancengesetz ein bisher nie dagewesenes Programm zur Beschäftigung von langzeitarbeitslosen Menschen aufgelegt. Erwerbslose, die schon über sechs Jahre SGB-II-Leistungen beziehen, können nun über den sogenannten Sozialen Arbeitsmarkt in Unteranehmen sowie in sozialen und öffentlichen Einrichtungen mit tarifgebundener Entlohnung arbeiten. Sie werden dabei bis zu fünf Jahre vom Jobcenter Arbeitplus Bielefeld mit hohen Lohnkostenzuschüssen gefördert. Auch Personen, die zwei Jahre arbeitslos sind, werden besonders gefördert. In Bielefeld haben davon allein bis Mitte März dieses Jahres über 400 Personen profitiert, die nach langer Arbeitslosigkeit wieder eine Perspektive gefunden haben.
Der Paradigmenwechsel in der Beratung
Ebenfalls wurde durch den neuen Arbeitsminister das Bundesprogramm „rehapro“ umgesetzt – ein Modellvorhaben zur Erprobung innovativer Leistungen und Maßnahmen für den Erhalt beziehungsweise die Wiederherstellung der Erwerbstätigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Auch das Bielefelder Jobcenter hat sich mit seinem Projekt „Beraten - Ermutigen - Assistieren“, kurz BEA, erfolgreich für das Bundesprogramm beworben und erhält nun bis 2024 eine Förderung über gut sechs Millionen Euro. Im Projekt BEA wird ein neuer kooperativer Beratungsansatz für abhängigkeits- und psychisch kranke Langzeitarbeitslose umgesetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entscheiden selbst über die Schritte zur Verbesserung ihrer Situation. Ihre individuellen Bedarfe werden in einem gesetzten Rahmen entsprechend finanziert. Über Selbsthilfevereinigungen übernehmen auch Personen die Beratung, die diese Erkrankungen überwunden haben und in Beratungskompetenzen geschult worden sind.
Nachdem Hubertus Heil diesen Weg freigemacht hat, wird in Bielefeld erprobt, wie das Jobcenter anders – vor allem mit mehr Vertrauen – mit den Leistungsempfängerinnen und -empfängern zusammenarbeiten kann. Es gilt, sie in ihrer Eigenkompetenz stärker wahrzunehmen und ihre Selbstwirksamkeit und damit ihr Selbstbewusstsein zu steigern. Das Jobcenter Arbeitplus Bielefeld strebt an, dieses Vorgehen auch auf andere Langzeitarbeitslose auszudehnen und verhandelt dazu mit den entsprechenden Instanzen.
Ermutigung und Mitwirkung statt Fördern und Fordern
Besonders augenfällig wird die neue Haltung im Arbeitsministerium durch die Aussage von Hubertus Heil: “An die Stelle des “Förderns und Forderns” tritt “So viel Ermutigung wie möglich und so viel Mitwirung wie möglich”. So wird betont, dass die fördernde Beratung und die Sicherstellung der Geldleistungen im Vordergrund der Jobcenter stehen. Die Sanktionen im SGB II wurden durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits eingeschränkt. In Bielefeld hat das Jobcenter schon seit Jahren eine der niedrigsten Sanktionsquoten in Deutschland – es wird Wert auf Verbindlichkeit durch den Aufbau einer Beratungsbeziehung gelegt.
Zukünftig wird es nur noch Sanktionen bis zu maximal 30 Prozent der Regelleistungen geben und dabei muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Auch haben sich die Länder und die Bundesregierung endlich darauf verständigt, dass es keine Totalsanktionierung mehr für Jugendliche gibt. Damit ist sichergestellt, dass es zwar weiterhin Verbindlichkeit geben muss, dass aber zugleich eine Untergrenze gewährleistet ist, durch die Menschen nicht mehr völlig aus dem System der sozialen Hilfe fallen können.
Entschlossenes Handeln in der Krise
Im Rahmen der Coronakrise hat Hubertus Heil schnell und pragmatisch viele Erleichterungen im Rahmen des SGB II geschaffen:
• Die Anträge auf Arbeitslosengeld II wurden massiv verkürzt und damit weitgehend entbürokratisiert.
• Keine/r muss mehr Angst haben, dass die Wohnung oder das persönliche Eigentum kurz nach der Antragstellung aufgegeben werden muss – die Miete bzw. Zinszahlungen werden in den ersten Monaten ungeprüft übernommen.
• Die aufwendige Vermögensprüfung wurde erheblich vereinfacht. Angerechnet werden in den nächsten Monaten lediglich schnell verwertbare Vermögen von über 60.000 Euro.
Vielen Menschen, die infolge der Pandemie ihr Einkommen verloren haben oder ihr Kurzarbeitergeld aufstocken müssen, kann so schnell finanziell geholfen werden. NDQQ VR VFKQHOO ȴQDQ]LHOO JHKROIHQ ZHUGHQ Nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit werden davon in BieleIefeld bis zu 13.000 Erwachsene profitieren.
Die Arbeitsmarktpolitik von Hubertus Heil spiegelt somit insgesamt vor allem eins: Es geht um mehr Vertrauen den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, die in Not geraten sind. Die Hürden für die Unterstützung durch die Jobcenter müssen weiter gesenkt werden. Wenn die Menschen merken, dass sie in einem Sozialstaat leben und nicht in einer Misstrauensbürokratie, haben wir eine wahre Grundsicherung, die ihren Namen verdient!