Unsere Ziele sind eine qualitativ hochwertige Lehre und ein gutes Studium für alle Studierenden. Deshalb wollen wir beidem ein größeres Gewicht im Wissenschaftssystem verschaffen. Dafür wollen wir die Anreize erhöhen und Freiräume erweitern, sich für die Lehre zu engagieren und das Studium attraktiv zu gestalten. Denn für uns steht fest: Eine qualitativ hochwertige Lehre und ein gutes Studium sind unverzichtbare Voraussetzungen für eine gute Ausbildung an Hochschulen. Zusammen stärkt beides den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland, weil es die Voraussetzungen für die Forscherinnen und Forscher sowie die Fachkräfte von morgen schafft.
In den vergangenen 20 Jahren hat die Qualität in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen große Sprünge nach vorne gemacht. Der wesentliche Zugewinn besteht darin, dass mit der Bologna-Reform in allen Fächern ausführlich über die Studiengangstruktur diskutiert wurde. Seitdem findet eine intensive Diskussion über die Curriculumentwicklung und Verbesserung von Lehrveranstaltungen und Studiumsorganisation statt. Daneben haben gerade der Qualitätspakt Lehre und der Hochschulpakt die Hochschullehre spürbar voran gebracht. Klar ist aber auch: viele der Verbesserungen haben noch nicht alle und oftmals auch nicht diejenigen erreicht, die am meisten von ihnen profitieren würden. Das wollen wir ändern.
Bereits der 2014 geänderte Artikel 91b des Grundgesetzes war ein wichtiger Schritt, damit der Bund im Wissenschaftsbereich stärker mit den Ländern kooperieren kann. Für diese Wahlperiode ist im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Bund und Länder die Finanzmittel aus Hochschulpakt und Qualitätspakt Lehre dauerhaft verstetigen. Damit wollen wir die Finanzierung der Hochschulen mit einer langfristigen Perspektive stärken und zusätzliche Ressourcen schaffen, die auch der Lehrqualität zugutekommen. Denn: Grundvoraussetzung und wichtigster Baustein für gute Lehre und gute Studienbedingungen ist eine ausreichende und verlässliche Grundfinanzierung. Daneben birgt das verlässliche finanzielle Engagement des Bundes die Chance, Lehrende nicht nur didaktisch aus- und weiterzubilden, sondern ihnen auch ausreichend Zeit für eine verbesserte Lehre zu geben. Zusätzlich kann es Raum geben für die nötige Diskussion und Weiterentwicklung von Studiengängen, studienbegleitenden Maßnahmen, Didaktik und Lehrmethodik. Und schließlich können wir damit auf wachsende Anforderungen reagieren, wie etwa gestiegene Studierendenzahlen, eine vielfältigere Studierendenschaft und neue Formen digitaler Vermittlung. Notwendig sind darüber hinaus Strukturen, die Lehrenden ermöglichen, ihre gute Lehre sichtbar zu machen, sich untereinander zu vernetzen, Synergien zu nutzen und Standards zu entwickeln. Dabei ist für eine optimale Qualitätssicherung zu berücksichtigen, wie Studierende über bestehende Evaluationen hinaus angemessen beteiligt werden und mitbestimmen können.
Hochschule ist nicht gleich Hochschule. Die vielen verschiedenen Hochschultypen bieten ganz unterschiedliche Lehr- und Lernbedingungen. Sie reichen von großen Volluniversitäten über Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Kunst- und Musikhochschulen. Einige von ihnen besitzen internationale Strahlkraft, während andere regional stark verankert sind oder sich durch ein besonderes Maß an Eigenständigkeit auszeichnen. Diese Unterschiede müssen berücksichtigt werden. Dennoch lässt sich flächendeckend feststellen, dass die Lehre in den vergangenen Jahren aufgewertet und optimiert worden ist. Diesen Prozess gilt es auch weiterhin so zu unterstützen und zu fördern, dass er der unterschiedlichen Ausgestaltung von Studium und Lehre gerecht wird.
An allen Hochschulen sollte die Lehre neben der Forschung gleichberechtigt sein. Allerdings widerspricht dieser Anspruch der bestehenden Reputations- und Finanzierungslogik. Denn noch immer ist es für die Karriere von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht ausreichend bedeutsam, ob und wie sie sich in der Lehre engagieren. Hohe Drittmittelsummen werden insbesondere für Forschungsprojekte eingeworben und interne Mittel an Hochschulen anhand der Forschungsleistungen verteilt. Hinzu kommt, dass das Ansehen, die Akzeptanz und die Karrierechancen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem über ihre Forschungsleistungen bestimmt werden. So orientieren sich Berufungskommissionen immer noch zu wenig an der Qualifizierung für und dem Engagement in der Lehre.
I. Hochschulpakt und Qualitätspakt Lehre verstetigen und weiterentwickeln
Indem wir Hochschulpakt und Qualitätspakt Lehre verstetigen, stellen Bund und Länder nun dauerhaft Finanzmittel für Verbesserungen der Lehre bereit. Dabei streben wir für die Nachfolgevereinbarungen von Bund und Ländern folgende Ziele an:
1. Wir wollen die Hochschulpaktmittel ab 2021 dynamisieren, vergleichbar mit denen des Pakts für Forschung und Innovation. Dafür fordern wir, die Bundesmittel und Ländermittel pro Jahr jeweils um drei Prozent aufzustocken. Damit wollen wir gerade auch die Sichtbarkeit der Lehre erhöhen sowie ihre tatsächliche Qualität in der Breite und den Studiengängen verbessern.
2. Für uns ist es unabdingbar, dass bei der zukünftigen Finanzierung des Hochschulpaktes eine Balance zwischen quantitativen Kriterien und qualitativen Aspekten des Studiums im Vordergrund steht. Damit kann adäquat auf die gleich bleibend hohe Zahl der Studierenden und ihrer Diversität reagiert werden sowie die Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Studierenden optimiert werden.
3. Wir fordern, dass insbesondere Stellen konsolidiert und entfristet werden, die durch Finanzmittel des Hochschulpakts finanziert werden. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die besonders in der Lehre engagiert sind, müssen an den Hochschulen künftig auch die Perspektive haben, dauerhaft und entfristet beschäftigt zu sein. Nicht zuletzt für die fortwährende finanzielle Förderung des Bundes muss das Prinzip gelten: Dauerstellen für Daueraufgaben. Dadurch sollen auch moderne Personalstrukturen etabliert werden können und die Karriereperspektiven in der Wissenschaft verbessert werden. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass bei der Nachfolgevereinbarung zum Hochschulpakt insbesondere auch die Lehrqualität und Betreuungsrelation an Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften verbessert wird. Denn gerade diese Hochschulen leisten einen essenziellen Beitrag für Fachkräftenachwuchs in Deutschland und den Transfer von Wissen und anwendungsorientierte Forschung. Nicht zuletzt müssen die neuen dauerhaften Handlungsspielräume durch den Hochschulpakt dazu genutzt werden, die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft nach vorne zu bringen. Frauen werden zu oft zu früh aus dem Wissenschaftsbetrieb gedrängt.
Zur Umsetzung dieser Ziele müssen Bund und Länder in den Verhandlungen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz Wege erarbeiten.
4. Wir erwarten, dass der Deutsche Bundestag zukünftig zu Entscheidungen zu den Bund-Länder Vereinbarungen zum Hochschulpakt und zur Nachfolgevereinbarung zum Qualitätspakt Lehre angemessen beteiligt wird. Beschlüsse der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz werden aktuell lediglich den Regierungschefs in Bund und Ländern vorgelegt und werden ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages verabschiedet, der als Haushaltsgesetzgeber die erforderlichen Mittel bereitstellt.
5. Wir wollen die Finanzmittel aus dem Qualitätspakt Lehre mindestens in gleicher Höhe dauerhaft sichern. Damit sollen allgemeine Lehrstandards entwickelt sowie fortlaufend innovative Lehrprojekte gefördert werden. Ziel ist es, die zahlreichen Erfahrungen und großen Erfolge der Lehrprojekte und -formate, die durch den Qualitätspakt Lehre gefördert wurden, langfristig zu sichern, übertragbar zu machen, dauerhaft in die Breite zu transferieren und in die reguläre Studienstruktur einzubetten. Hierbei sollen Hochschulen auch darin unterstützt werden, Studiengänge und Studiensystem neu auszurichten, wie zum Beispiel flipped und inverted classrooms. Bund und Länder sollen sich gemeinsam darum bemühen, die Lehre zu stärken. Der Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse bietet dafür eine gute Grundlage. Die Hochschulen brauchen dafür aber auch ausreichend personelle Ressourcen.
Bund und Länder sind angehalten, in den Verhandlungen zur Nachfolge zum Qualitätspakt Lehre eine adäquate organisatorische Lösung für eine deutsche „Allianz für gute Hochschullehre“ zu erarbeiten. Unter ihrem Dach sollen alle relevanten Akteure eingebunden werden. Sie sollen gemeinsame Ziele formulieren, um die Lehre an deutschen Hochschulen nachhaltig zu stärken. Damit wird die deutsche „Allianz für gute Hochschullehre“ der gemeinsame und ausstrahlungsfähige Ansprechpartner für gute Lehre in Deutschland sein.
II. Neue Perspektiven für Lehre und Studium schaffen
Über die laufenden Vereinbarungen von Bund und Ländern zum Hochschulpakt und zum Qualitätspakt Lehre hinaus wollen wir neue Perspektiven für Lehre und Studium schaffen. Auf diese soll der Bund in Kooperation mit Ländern und Hochschulen hinarbeiten. Dabei orientierten wir uns an unserem sozialdemokratischen Anspruch, akademische Bildung für alle Menschen zugänglich zu machen und die Hochschulen im Zentrum unserer Gesellschaft zu verankern. Denn damit ermöglichen wir für jede und jeden gleiche Chancen auf ein freies und selbstbestimmtes Leben. Um Studium und Lehre zu stärken, streben wir daher folgende Ziele an:
Lehrleistung anerkennen und Karriereperspektiven schaffen
6. Dem besonders an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften überproportional hohen Anstieg von Lehraufträgen soll entgegengewirkt werden. Lehraufträge dienen für einzelne, zum Beispiel durch besondere Praxiserfahrungen ausgezeichnete Lehrveranstaltungen. Sie sind eine Ergänzung des Curriculums und nicht dafür da, die grundständige Lehre aufrecht zu erhalten. Um die Einheit von Forschung und Lehre zu gewährleisten, muss neben der Lehre auch Zeit für Forschung bleiben - ein zu hohes Lehrdeputat steht dem entgegen.
7. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen mehr Unterstützung, um Lehrkompetenzen zu erlernen und Weiterbildungsmaßnahmen wahrnehmen zu können. Um der Qualifizierung in der Lehre mehr Gewicht zu verleihen, brauchen wir eine Verständigung auf Mindeststandards. Dadurch erhöhen sich die Transparenz und die Vernetzung der bestehenden Angebote und Zertifikate. Wir begrüßen, wenn die Lehre auch bei Habilitationsverfahren, Juniorprofessuren und Personalentwicklungskonzepten aufgewertet wird.
8. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten darin unterstützt werden, eigene Lehrformate zu entwickeln, zu implementieren und untereinander austauschen zu können. Dafür notwendig sind nicht nur bessere Betreuungsschlüssel, sondern auch die Möglichkeit, das eigene Lehrdeputat zu reduzieren. Neben dem bereits bestehenden Forschungsfreisemester sollte zusätzlich ein Lehrfreisemester ermöglichen können, für besonderes Engagement in der Lehre freigestellt zu werden. Auch wollen wir uns dafür stark machen, mit lehrbezogenen Drittmitteln in deutlich größerem Umfang die Voraussetzung dafür zu schaffen, besondere Lehrformate und Studienangebote weiterzuentwickeln. Dabei können sie die Arbeit Lehrender unterstützen und ihre Reputation erhöhen. Es darf keine Entwicklung geben, bei der Drittmittel Aufgaben des regulären Lehrbetriebs übernehmen und dadurch eine unzureichende Grundfinanzierung ausgleichen.
9. Lehrpreise leisten einen wichtigen Beitrag, um Lehre und Lehrende sichtbar zu machen und wertzuschätzen. Allerdings eignen sie sich nicht als Instrument zur politischen Steuerung, Qualitätssicherung und nachhaltigen Aufwertung der Lehre. Das gilt sowohl auf struktureller wie auch individueller Ebene. Daher sollte ihre quantitative Bedeutung begrenzt bleiben, solange sie nur den wenigen Lehrenden verliehen werden, deren besonders herausragende Leistungen und nahezu einmaliges Engagement ausgezeichnet werden soll.
Hochschulen als Lehreinrichtungen stärken
10. Gute Lehre ist und bleibt originäre Aufgabe der Hochschulen. Voraussetzung dafür ist und bleibt eine auskömmliche Grundfinanzierung. Für eine hohe und flächendeckende Qualität ist es notwendig, dass sich die Hochschulen über eine gemeinsame Qualitätssicherung ihrer Qualifizierungsstandards in der Lehre abstimmen sowie die eigenen Lehrenden umfassender qualifizieren.
11. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Chancen der Digitalisierung an allen Hochschulen genutzt werden können. Insbesondere für Lehre und Forschung, aber auch Verwaltung und wissenschaftlichem Austausch eröffnen sich hier an den Hochschulen große Potenziale. Hierzu fordern wir den Bund auf, dass er innovative Hochschulen und Hochschulverbünde fördert und hierbei vor allem hochschulübergreifende und vernetzte Konzepte berücksichtigt. Gleichzeitig bietet die Entwicklung neuer und die Begleitung bestehender Lehrformate im Rahmen der Digitalisierung große Chancen für die Lehrqualität. Daher wollen wir uns dafür einsetzen, dass digital begleitete, dezentral und international entwickelte Lehrformate vom Bund gefördert werden, wenn sie Nutzungsverhalten und Medienerfahrungen neuer Studierendenkohorten berücksichtigen. Wir wollen unterstützen, dass Lehrende eigene Lehrprojekte vorstellen, allgemein nutzbar machen und gegenseitig bewerten können. Zusätzlich sollen aber auch Bewertungen von Studierenden von Lehrveranstaltungen mehr in die Fläche getragen werden. Unser Ziel ist es, so eine schnelle und qualitätsbezogene Orientierung gegenüber der Vielzahl digital verfügbarer Angebote zu ermöglichen. Wir wollen Teilhabe ermöglichen. Darum müssen mögliche Formen von Diskriminierung und Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, sozio-ökonomischem Status oder anderen Merkmalen aktiv bei der Digitalisierung von Studium und Lehre bedacht und dem entgegen gewirkt werden. Bei allen Projekten sollen ein einfacher, praktikabler Austausch und der notwendige Datenschutz sichergestellt sein.
12. Perspektivisch wollen wir in der Lehre internationale Austauscherfahrungen stärker unterstützen, auch um von Best Practice-Erfahrungen anderer Länder zu profitieren. Damit können wir dazu beitragen, nicht nur den internationalen Stellenwert deutscher Hochschulen weiter zu stärken, sondern auch ihre Vernetzung in Europa und darüber hinaus.
Die Lehre in der Einheit mit Forschung im Wissenschaftssystem stärken
13. Wir wollen der Lehre zukünftig auch in allen Förderformaten des Bundes sowie bei der Personalentwicklung und -auswahl von Hochschullehrenden ein höheres Gewicht verleihen. Forschung und Lehre bilden bei uns eine Einheit, denn daraus speist sich die Stärke unseres Wissenschaftssystems. Exzellente Forschung braucht auch exzellente Lehre - und zwar in der Breite. So werden möglichst viele unserer Studierenden bestmöglich für Spitzenforschung ausgebildet.
14. Um die Lehre zu stärken, soll sie auch als Forschungsgegenstand stärker gefördert werden. Dadurch sollen Parameter und Instrumente für gute Lehre ausgearbeitet werden, die valide sind und für Evaluationen genutzt werden können. Die Kriterien sollen perspektivisch überall in der Lehrpraxis Anwendung finden und als Kriterien für Berufungsverfahren genutzt werden können. Sie sollen auch die Perspektive von Studierenden angemessen berücksichtigen.