Nach dem jetzt veröffentlichten Referentenentwurf für eine Reform des Solidaritätszuschlags soll der Zuschlag für rund 90 Prozent der ihn bisher zahlenden Lohn- und Einkommensteuerzahler vollständig wegfallen. Für weitere rund 6,5 Prozent entfällt der Zuschlag zumindest in Teilen. Die Steuerzahlerinnen und - Zahler zahlen von 2021 an voraussichtlich rund 10 Mrd. Euro weniger, bis 2024 steigt der Betrag auf rund 12 Mrd. Euro.
„Im Ergebnis werden mit der Reform rund 96,5 Prozent der heutigen Soli-Zahler bessergestellt. Geringverdienern und vielen Mittelständlern bleibt damit mehr auf dem Konto. Das ist gut, denn höhere Nettoeinkommen stärken die Binnennachfrage, das ist gut für unsere Konjunktur. Nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entfällt der Zuschlag. Auch viele Selbständige und Gewerbetreibende zahlen ihn künftig nicht mehr. Das setzt Anreize für Investitionen und neue Arbeitsplätze. Ich halte den Vorschlag von Olaf Scholz nicht nur für sozial gerecht sondern auch für wirtschaftlich sinnvoll“, begrüßte die Bielefelder SPD-Bundestagsabgeordnete und Finanzpolitikerin Wiebke Esdar die Pläne von Olaf Scholz.
„Die weitgehende Soli-Abschaffung bettet sich ein in unsere Gesamtstrategie für eine sozial gerechte und wachstumsfreundliche Steuer- und Abgabenpolitik. Davon profitieren insbesondere Familien sowie Bezieher unterer und mittlerer Einkommen durch höher Grundfreibeträge, den Ausgleich der kalten Progression, deutlich verbesserte Familienleistungen (z. B. höheres Kindergeld) und Sozialabgabensenkungen (z.B. Wiederherstellung Parität bei der Gesetzlichen Krankenversicherung). Allein die steuerlichen Maßnahmen dieser Bundesregierung erreichen in voller Jahreswirkung ein Volumen, das deutlich über die 25 Milliarden Euro-Marke hinausgehen wird. Es sind somit die umfangreichsten Steuersenkungen seit mehr als zehn Jahren.“
Hintergrund:
Wesentlicher Inhalt des Referentenentwurfs
Anhebung der Freigrenze für die Einkommensteuer, bis zu der kein Solidaritätszuschlag anfällt, auf 16.956 Euro bzw. auf 33.912 Euro (Einzel-/Zusammenveranlagung). Wer also weniger als 16.956 Euro jährlich an Lohnsteuer oder veranlagter Einkommensteuerzahlt, wird künftig den SolZ nicht mehr zahlen müssen (bei zusammen Veranlagten beträgt die Grenze 33.912 Euro). Nach geltendem Recht wird der Zuschlag erhoben, wenn die tarifliche Einkommensteuer den Betrag von 972 Euro bzw. 1.944 Euro (Einzel-/ Zusammenveranlagung) übersteigt.
Anpassung der Milderungszone, so dass das Gesetz bis weit in den Mittelstand wirkt. Übersteigt die tarifliche Einkommensteuer die Freigrenze, wird der Solidaritätszuschlag nicht sofort in voller Höhe, also mit 5,5 Prozent, erhoben. Stattdessen wird er für rund 6,5 Prozent der verbleibenden SolZ-Zahler ebenfalls abgesenkt, allerdings bei steigenden Einkommen mit abnehmender Wirkung.
Konkret bedeutet das:
Für einen Single entfällt der Solidaritätszuschlag vollständig bis zu einem Bruttojahreslohn von 73.874 Euro. Erst ab einem Bruttojahreslohn von 109.451 Euro muss er weiterhin den vollen SolZ entrichten. Ab 73.874 Euro bis zu diesem Betrag fällt der SolZ in der Milderungszone nur noch zum Teil an.
Eine Familie mit zwei Kindern (alleinverdienender Arbeitnehmer) muss erst ab einem Bruttojahreslohn von 221.375 Euro den vollen Solidaritätszuschlag entrichten, ab 151.990 Euro wird er in der Milderungszone nur noch zum Teil erhoben. Bis zu einem Bruttojahreslohn von 151.990 Euro zahlt die Familie gar keinen Solidaritätszuschlag mehr.
Gänzlich freigestellt von der SolZ-Zahlung sind 88,0 Prozent der zur Einkommensteuer veranlagten Gewerbetreibenden (z.B. selbständigen Handwerker) mit ausschließlichen Einkünften aus ihrem Gewerbetrieb, in der Milderungszone begünstigt sind 6,8 Prozent.
Gänzlich freigestellt von der Soli-Zahlung sind 91,0 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in der Milderungszone begünstigt sind 6,5 Prozent.
Beispiele zur steuerlichen Besserstellung [1]
Ein Ehepaar (Krankenpflegerin mit einem Jahresbruttolohn von 40.800 Euro und angestellter Maurer mit einem Jahresbruttolohn von 33.600 Euro, ohne Kinder) zahlt nach derzeitiger Rechtslage den Solidaritätszuschlag in Höhe von 565 Euro jährlich, zukünftig entfällt der Solidaritätszuschlag vollständig für diese Familie.
Ein Erzieher, ohne Kinder, mit einem Jahresbruttolohn von 31.500 Euro zahlt bisher 202 Euro pro Jahr, zukünftig zahlt er keinen Solidaritätszuschlag mehr.
Keine Abschaffung für Spitzenverdiener
Mit dem Fokus auf niedrige und mittlere Einkommen wird das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, gerade diese Einkommensgruppen zu stärken. Das trägt zugleich dem Grundsatz Rechnung, dass starke Schultern mehr tragen sollten, als schwache. Eine vollständige Abschaffung auch für die einkommensstärksten 10 Prozent der SolZ-Zahler würde zusätzlich rund 11 Mrd. Euro jährlich kosten und lediglich die Nettoeinkommen von Spitzenverdienern weiter erhöhen.
Den Zuschlag auch für Spitzenverdiener abzuschaffen, hätte eine erhebliche soziale Unwucht. Allein der Vorstandchef eines DAX-Unternehmens (durchschnittliches zu versteuerndes Einkommen: 5,8 Mio. Euro) käme auf eine Steuersenkung von mehr als 140.000 Euro. Gerade vor dem Hintergrund der weniger stark wachsenden Steuereinnahmen gilt es, finanzpolitisch noch stärker auf Prioritäten zu setzen und Haushaltsmittel dort einzusetzen, wo sie besonders dringend benötigt werden.
Freigrenze statt Freibetrag
Der Gesetzentwurf sieht die Anhebung der bestehenden Freigrenze vor, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Das bedeutet, dass die Bemessungsgrundlage bis zu diesem Betrag nicht mit dem Solidaritätszuschlag belastet wird. Wird die Freigrenze überschritten, ist grundsätzlich die volle Bemessungsgrundlage zu besteuern, wobei zur Vermeidung eines Belastungssprungs die SolZ-Belastung durch den Solidaritätszuschlag allmählich an den Normalsatz von 5,5 % herangeführt wird. Dagegen würde bei einem Freibetrag die Steuerbemessungsgrundlage gemindert. Bei Überschreiten des Freibetrags wird nicht die gesamte Bemessungsgrundlage der Besteuerung zugrundegelegt. Nur der den Freibetrag übersteigende Teil der Bemessungsgrundlage unterliegt der Besteuerung.
Eine Freibetragslösung, die dem Koalitionsvertrag widerspräche, hätte zu einer Steuersenkung auch für Spitzenverdiener geführt. In der Folge wären zusätzliche Mindereinnahmen für den Fiskus von etwa 2,5 Mrd. Euro pro Jahr entstanden.
[1] Für alle nachstehenden Berechnungen gilt: Die Beispielrechnungen wurden soweit möglich für den Veranlagungszeitraum 2021 durchgeführt: Altersvorsorgeaufwendungen wurden entsprechend dem Alterseinkünftegesetz mit einem Anteil von 92 Prozent berücksichtigt; die Beitragsbemessungsgrenzen zur Sozialversicherung wurden auf das Jahr 2021 fortgeschrieben ; es wird unterstellt, dass die Beitragssätze zur Sozialversicherung bis 2021 unverändert bleiben. Die Einkommensteuer wurde nach dem ab 2020 geltenden Einkommensteuertarif ermittelt; Kindergeld und Freibeträge für Kinder wurden mit den ab 2020 geltenden Beträgen berücksichtigt