In den letzten Wochen durfte ich einige sehr interessante Orte in der Hauptstadt besuchen. Die SPD-Bundestagsfraktion bietet nämlich regelmäßig Veranstaltungen für Praktikanten und FSJ´ler an, so zum Beispiel Führungen durch politisch interessante Gebäude in Berlin.
Viele neue Eindrücke: Meine erste Woche in Berlin
Ein Böckstiegel-Kalender hängt im noch provisorischen Berliner Büro schon an der Wand: Ein Stück Werther ist mit Wiebke nach Berlin gekommen – und nun bin auch ich seit schon einer Woche hier vor Ort. Ich bin Julius, komme genau wie der Kalender aus Werther und mache nun seit dem 01.02. nach einem dreimonatigen Praktikum in Wiebkes Wahlkreisbüro in Bielefeld ein sogenanntes FSJ-Politik bis Ende August.
Normalerweise startet dieses FSJ jedes Jahr bereits im Sommer, doch vor allem wegen der Wahlen hat sich das ganze leider etwas verzögert. Umso froher bin ich, jetzt tatsächlich in Berlin angekommen zu sein. Auf den blanken Türen der Schränke im Büro spiegelt sich der markante Fernsehturm, etwas besonders ist das immer noch.
Beim Ankommen geholfen hat mir Wiebkes Team: Mit mir im Büro sitzen Anna, die sich um alles Organisatorische kümmert, Büroleiter Pat sowie der wissenschaftliche Mitarbeiter Lukas. Alle drei sind sehr lieb und hilfsbereit. Wenn ich beim Mittagessen in der Mitarbeiterkantine nicht beim Büro sitze, bin ich mit anderen FSJlern und Praktikanten zusammen an einem Tisch. Neben mir gibt es da nämlich noch einige mehr. So findet man leicht Anschluss und muss sich auch abends nach der Arbeit nicht langweilen. Natürlich lief nicht direkt alles glatt. Die Suche nach einer WG zum Beispiel hätte fast zum Problem werden können. Erst nach gefühlt hunderten von mir abgeschickten Anfragen hatte ich dann endlich ein Zimmer in der Hauptstadt gefunden, wenn auch nicht für den gesamten Zeitraum.
Wo haben die Abgeordneten ihre Büros? Wie läuft eine typische Sitzungswoche ab und was haben die Abgeordneten in Berlin so zu tun, was machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten überhaupt so den ganzen Tag? Und warum will man überhaupt ein FSJ in der Politik machen?
Auf viele typische Fragen kann ich nach nur einer Woche auch noch nicht wirklich antworten, doch allein in den paar Tagen habe ich schon eine Menge erlebt. Denn vor allem gibt es hier unglaublich viel zu sehen! In unserem Büro fehlt noch ein weiterer PC und wir müssen aus Platzgründen noch einmal komplett in ein anderes Gebäude umziehen. Daher hatte ich bisher Zeit, die Liegenschaften des Bundestages auf eigene Faust zu erkunden.
Unser Büro befindet sich in der Wilhelmstraße 65. Das ist eine Querstraße der bekannten Allee „Unter den Linden“. Jeden Morgen steige ich am Brandenburger Tor aus der U-Bahn nach oben. Unser Gebäude ist per Tunnel mit dem Jakob-Kaiser-Haus verbunden. Dies ist das größte und meiner Meinung nach auch das unübersichtlichste Parlamentsgebäude, da es eigentlich aus acht von verschiedenen Architekten entworfenen Häusern besteht. Hier haben viele Abgeordnete und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Büros. Im Tunnel geht es weiter ins Untergeschoss des Reichstagsgebäudes. Nahezu überall gibt es Kunst zu bestaunen oder historische Ausstellungsstücke aus der deutschen Geschichte zu sehen. Im Reichstag selbst ist in sitzungsfreien Wochen abgesehen von den Besuchergruppen relativ wenig los. So kann man sich ganz entspannt (fast) überall umsehen, sich auf die Besuchertribüne des Plenarsaals setzen, oder die russischen Graffitis - geschrieben von Soldaten der Roten Armee, die 1945 Berlin eingenommen haben - an den Wänden betrachten. Der berühmten Kuppel habe ich natürlich auch schon einen Besuch abgestattet. Durch die (teilweise verwirrenden) Tunnel gelangt man weiter ins Paul-Löbe-Haus (PLH), welches dem Kanzleramt gegenüber liegt. Hier tagen die Ausschüsse, viele Besuchergruppen betreten den Bundestag von hier. Über eine Fußgängerbrücke über der Spree kann man schlussendlich noch zum Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH) hinüber gehen. Hier befindet sich die große Parlamentsbibliothek des Bundestages. Sogar eine eigene Postfiliale und eine Sporthalle gibt es hier! Eigentlich müsste man mal die Zeit stoppen, wie lange man von der Wilhelmstraße bis zum MELH und wieder zurück braucht - genug Bewegung für einen Tag habe ich danach auf jeden Fall.
Von der SPD-Bundestagsfraktion werden wöchentlich Führungen und Besuche für alle Praktikantinnen und Praktikanten der SPD angeboten, wo ich im Laufe des Jahres auch noch einiges mitmachen werde. So werde ich beispielsweise das Kanzleramt, den Bundesrat oder auch die Bundespressekonferenz besuchen. Das stelle ich mir auch sehr interessant vor. In Sitzungswochen werde ich bestimmt die eine oder andere Plenardebatte verfolgen. Vielleicht darf ich auch einmal in einem Ausschuss oder in anderen Sitzungen dabei sein, oder Wiebke zu Terminen begleiten. Neben diesen Veranstaltungen ist der größte Teil des Tages natürlich Büroarbeit dran, Mails und Bürgerbriefe wollen beantwortet werden, Termine müssen besprochen werden, Ausschusssitzungen werden vorbereitet und so weiter… Um welchen Bereich ich mich in diesem Jahr hauptsächlich kümmern werde, steht noch nicht fest, wird aber bald im Rahmen einer Büroklausur geklärt werden.
Und damit beantwortet sich auch die Frage, warum ich dieses FSJ mache: Ich habe in dieser Woche und im Praktikum schon eine ganze Menge Erfahrungen machen dürfen. Von der wirklichen Arbeit einer Abgeordneten dringen oft nur die Debatten und Reden im Plenarsaal nach außen. Daher möchte ich erfahren und kennenlernen, was genau alles hinter der parlamentarischen Arbeit steckt, um selbst die Abläufe nachvollziehen zu können und auch weiterzugeben. Daher ist es immer sehr interessant, wenn ich Wiebke irgendwohin begleiten kann. So erlebe ich schließlich ein Stück weit mit, was es heißt, Mitglied des Bundestages zu sein. Auf der anderen Seite gehört die Arbeit im Büro natürlich genauso dazu. Auch hier kann man eine ganze Menge lernen, verstehen und mitbekommen. Wer jetzt denkt „Ja, das ist was für mich!“, darf beruhigt sein – Wiebke hat vor, auch 2018/19 eine Stelle für das FSJ-Politik anzubieten.
Ein Blick hinter die Kulissen: Auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin
- Der Praktikant berichtet -
Viele offene Fragen stellten sich vor dem Bundesparteitag der SPD in Berlin: Wie soll der Erneuerungsprozess gestaltet werden? Große Koalition ja oder nein? Oder doch die Tolerierung einer CDU geführten Minderheitsregierung?
In diesen drei Tagen wurde leidenschaftlich und offen debattiert. Und mitten drin statt nur dabei: Ich, Julius, (noch) 18 Jahre jung und momentan Praktikant im Bielefelder Wahlkreisbüro von Wiebke Esdar. Dank Ihr hatte ich die Möglichkeit, dieses Spektakel am Donnerstag und Freitag live und in Farbe mitzuerleben. Das erste Mal Bundesparteitag, und dann auch noch in Berlin – das klingt vielversprechend! Doch was passiert auf einem Bundesparteitag genau und wie läuft der ab? Darf da jeder hin, oder ist so eine Veranstaltung nur ausgewählten Gästen vorbehalten?
Mit einer einfachen Anmeldung im Internet stand ich schon auf der Gästeliste – nur den Personalausweis musste ich vor Ort noch vorzeigen, sowie die obligatorische Sicherheitskontrolle überstehen. Nach zweieinhalbstündiger Fahrt mit dem ICE (ohne Verspätung) startete der Parteitag in der Messehalle “CityCube“ der Messe Berlin am Donnerstagmorgen mit einer Eröffnungsrede von Aydan Özoguz.
Der erste Höhepunkt des Tages war mit Sicherheit die erste Rede von Parteichef Martin Schulz, der das Ziel setzte, trotz der möglichen Rolle der SPD in der kommenden Regierung, den Erneuerungsprozess nicht zu vernachlässigen. Schulz: „Der Erneuerungsprozess der SPD, organisatorisch und politisch, wird weitergehen und er muss weitergehen.“ Die Rede endete mit stehenden Ovationen für den Redner.
Es folgte die mehrstündige Debatte zum Leitantrag des Vorstandes, der die Aufnahme von ergebnisoffenen Gesprächen mit der Union empfahl. In kurzen Redebeiträgen konnten sich die über 600 Delegierten aussprechen und ihre unterschiedlichen Standpunkte ehrlich, aber respektvoll klarstellen. Schlussendlich entschloss sich die Mehrheit des Parteitages für ergebnisoffene Gespräche und damit gegen einen Antrag der Jusos, der eine große Koalition für undenkbar erklären sollte. Schlussendlich wurde Martin Schulz mit über 80% der Stimmen als Vorsitzender wiedergewählt.
Doch abgesehen von den Reden gab es noch viel mehr zu sehen: Im gesamten Gebäude waren viele Journalisten unterwegs, oft auf der Suche nach Interviewpartnern. So wurde auch ich überraschend von einer Dame mit ZDF-Mikrofon angesprochen, jedoch lehnte ich reflexartig ab, denn damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.
Ein Stockwerk tiefer konnte ich mich bei Werbeständen von bekannten und weniger bekannten Unternehmen mit meinem Jahresbedarf an Kugelschreibern und Gummibärchen eindecken, und den bekannten Komiker Ralf Kabelka, der auf der Suche nach lustigen Begegnungen für die Satire-Sendung “heute-show“ war, aus sicherer Entfernung beobachten. Außerdem waren alle Bewerber für den Wilhelm-Dröscher-Preis vertreten, für den auch die AG sozialdemokratischer Frauen Bielefeld (Asf-Bielefeld) teilnahm, um auf die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern hinzuweisen.
Am Abend durfte ich mit auf den Parteiabend, ein Beisammensein mit Musik und Buffet. Es war sehr interessant, so viele bekannte Politiker mal in einem ganz anderen Umfeld zu sehen, als man es im Fernsehen immer tut.
Der zweite Tag stand ganz unter dem Zeichen der Erneuerung der Partei und wurde mit Diskussionen und Abstimmungen um die verschiedenen Anträge gefüllt. Besonders in Erinnerung bleibt mir die kreative Zollstockrede von Lothar Binding, sowie Sigmar Gabriels Rede zur Migrationspolitik. Zwischen den Debatten wurden wichtige Posten wie der Generalsekretär oder die Bundesschiedskommission neu gewählt. Außerdem wurde in zwei Wahlgängen der neue Vorstand vervollständigt, dem nun mit dem drittstärksten Ergebnis im ersten Wahlgang auch Wiebke Esdar angehört. Die Freude war dementsprechend groß.
Am Abend stiefelte ich durch das weihnachtliche Berlin zurück zum Hauptbahnhof, um mich auf den Rückweg nach Bielefeld zu machen. Ich nehme von diesem Parteitag eine ganze Menge Eindrücke und Erfahrungen mit zurück nach Hause und kann nur empfehlen: Ein SPD-Bundesparteitag ist durchaus eine kleine Reise wert!